I AM NATURE Immanuel Kant unterschied in seiner Kritik der Urteilskraft den Begriff des Erhabenen in zwei Kategorien: Die dynamische Erhabenheit als eine subjektive Empfindung (wie etwa die des Schauderns) in Anbetracht der Natur „... als eine[r] Macht, die über uns keine Gewalt hat.“ Das Mathematisch-Erhabene ist dagegen die objektiv messbare Größe von etwas, das so groß ist, dass es keinen Vergleich mehr benötigt, um sein Größe zu legitimieren – etwa die unendliche Weite des Meers, oder die Höhe der Berge.Ein Grafiker und Maler, der sich - wie Ondrej Drescher – thematisch mit Bergen befasst, landet wie selbstverständlich in der Schublade „gemalter Erhabenheit“; vor allem in Anbetracht der Zeichnungen der letzten Jahre, auf denen großformatige Bergpanoramen zu sehen sind, wird diese Einordnung unvermeidbar. In erstaunlicher Kleinteiligkeit konfigurierten unzählige Striche "das Große" in Form von Berglandschaften und luden darüber hinaus zu einer meditativen Seherfahrung ein - gleich einem abstrakten Bild. Auch wenn die Titel teilweise darauf verwiesen, dass es sich nicht allein um das Abbildhafte handle, sondern um die Darstellung von Seelenlandschaften, galt Dreschers zweites Genre – das Selbstporträt – immer als ein von den Landschaften getrenntes Werk, auch wenn seine Selbstporträts mit ähnlich kleinteiligen Linien und Strichen bearbeitet waren und neben den Titeln auch der Zeichnungsstil die Verbindung beider Genres unterstrich. In den aktuellen Bildern des Künstlers vollzieht sich nicht nur eine technische Transformation (vom Stift zur Ölfarbe), sondern auch eine Verschmelzung beider Gattungen in ein und demselben Bildraum, da sich der Maler nun als Vollfigur während einer Bergwanderung zeigt. Er unterstreicht dabei nicht seine Winzigkeit im Vergleich zu einer monumentalen Bergkette, sondern, verglichen mit seinen früheren Bergansichten, verändert er die Dimension der Berge und macht die Kategorie des Erhabenen obsolet, da sie ihn nun, ausschnitthaft und ohne sichtbare Bergspitzen, als reine Landschaft umgeben. Mehr noch: Landschaft und Figur verschmelzen zu einer Einheit. Die subjektive Naturempfindung zeugt hier mehr von einer Nähe zur Natur und das uns (als Naturwesen) mit ihr Verbindende, als dass sie den Respekt vor ihrer uns überragenden mathematischen, oder wie auch immer gearteten Größe, in den Vordergrund stellt. Entsprechend ist die Farbwahl der gemalten Linien, die sowohl die Landschaft, als auch die Figur durchziehen, sanft und auch die Farbübergänge sind zart und ohne harte Kontraste gesetzt. Auch diese neuen Bilder ermöglichen sowohl eine gegenständliche als auch eine abstrakte Bildbetrachtung, da Ondrej Drescher seinen Zeichnungsstil in seine gemalten Bilder transportiert und in einigen Werken die gesamte Bildfläche mit Linien überzieht. Dieser Ansatz erinnert an Jackson Pollocks All-over-Kompositionen, bei denen Pollock jede kompositorische Hierarchie aufhob und den Bildraum "demokratisch" behandelte; mit dem Effekt, dass ein mehrdeutiger Raum entstand, der beim Betrachten unzählige Perspektiven zulässt und sogar in der Lage ist, den Raum optisch in Bewegung zu versetzen. Auch wenn die Arbeiten von Ondrej weder geschüttet, noch gedrippt sind, sondern unter derselben sichtbaren Kontrolle und Akribie entstehen wie seine Zeichnungen, existiert zwischen beiden Malern, bezüglich ihrer Naturauffassung, eine weitere Gemeinsamkeit: Als Jackson Pollock in einem Interview von Hans Hofmann gefragt wurde, warum er nicht nach der Natur arbeite, antwortete er: „I am Nature!“ Lu Potemka |
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OOndrej Drescher "... aus der Kälte" 13. April bis 08. Mai 2010 Opening:
10. April . 19.00 |
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