Schatten und Madonna
In den Bildern von Konstantin Déry sind oft Menschen dargestellt, die physiognomisch den Gesetzen der erfahrbaren Welt entsprechen, aber sie trotzdem in ihrer seltsamen Fremdheit sprengen. Offenbar beziehen sie sich auf eine innere Welt, ohne psychologische Porträts offenkundiger Emotionen wie Schmerz, Wut oder Freude zu sein, vielmehr entsteht der Eindruck, als blieben ihre wahren Gefühle vor dem Betrachter verborgen. Dieser Eindruck wird durch die oft eingefrorenen Posen der Protagonisten bekräftigt, indem die Formelhaftigkeit der Pose als leere Handlung entlarvt und betont wird, eine Vermutung, die sich in Szenen in denen Interaktionen zwischen den Figuren stattfinden, noch verstärkt. Der Betrachter kann die dahinterliegenden Passionen, bzw. die verschiedenen Beziehungsgeflechte zwar ahnen, aber sie nicht mit Sicherheit benennen. So handelt es sich vor allem in den Mehrfigurenbildern um einen Realismus der Maskeraden. In der Archetypenlehre C. G. Jungs werden die unliebsamen Seiten des Menschen, im Gegensatz zu jenen, die man gern nach Außen zeigt, dem Schatten zugeordnet. Mit dem Schatten werden oft die dunklen Seiten des Menschen, seine Abgründe und Perversionen assoziiert, zum Schatten zählen aber natürlich auch weit weniger dramatische Gefühle, nämlich Schwächen - Emotionen wie Unsicherheit, Schüchternheit, Scham und Misstrauen, die in der Malerei Dérys ihren Auftritt bekommen. Seine Figuren lassen die Masken trotz der verhaltenen, ja mitunter versteinerten Außenwirkung nicht fallen, es sei denn, es wird ein Kind dargestellt, das im noch vorverbildeten Prozess, außerstande ist, seine Seele zu verbergen und nicht anders kann, als den Betrachter direkt und offensiv anzublicken und ihn damit zur offenen Kommunikation zu zwingen. Doch auch das Kind,
die Tochter des Malers – das zeigen Werke, wie etwa das Bild VORFRÜHLING
– sitzt bereits im Karussell der Zivilisation, indem es vor dem Hintergrund
einer ausladenden Ackerlandschaft das Modell eines Hauses baut. In einem weiteren
Bild TIPI, begegnet uns dasselbe Kind wieder mit offenem Blick. Hier wirken
die Augen ernst und fragend, aber wie in dem Doppelporträt kommunikationsbereit.
In diesem Bild zieht das Mädchen in Form eines Zeltes eine Decke über
ihren Kopf und bekundet damit abermals ihre sich bereits formende Sozialisierung
in der allgemein ausgemachten Welt, zu der später auch die Masken gehören
werden. |
Mar Tipi : Konstantin
Déry |
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