Jürgen Noltensmeier : Häuser wie Kulissen
Das Haus ist, wie einst das Stillleben für Morandi, ein wiederkehrendes Motiv im Schaffen von Jürgen Noltensmeier. Wer seine Arbeit über Jahre hinweg beobachtet, bemerkt jedoch schnell, dass er sein Sujet nicht reproduziert, sondern es immer wieder neu erforscht und verwandelt: Waren es zunächst die Bauten westdeutscher Vororte, an deren Fassaden der erste Lack längst abgeblättert ist, tauchen seitdem er in Leipzig lebt, zunehmend Ruinen, und Abrisshäuser auf. Zuletzt widmete er sich Baumärkten und Discountern; Allen gemein ist, dass, sie entweder austauschbar, oder abgelebt, architektonisch unbedeutend und zerfallen sind, in ihrem Zustand jedoch keinesfalls Glamour und Status verkörpern könnten. Jürgen Noltensmeier blickt zu diesen ästhetischen Nichtigkeiten und Vanitas-Sinnbilder auf und macht sie zu Ikonen. Wie bei Lucien Freud geht es über die Malerei hinaus um eine Art des Sehens, die Schönheit gerade im vermeintlich Glanzlosen entdeckt und mit Hilfe des Mediums für alle sichtbar macht. Im aktuellen Zyklus „Cut“ präsentiert Jürgen Noltensmeier keine neue Gebäudegruppe, sondern fokussiert vielmehr eine Verfahrensweise, die er vereinzelt auch in seinem früheren Schaffen als Variation zu den klassischen Formaten schuf: Die Häuser werden aus ihrer ursprünglichen Umgebung herausgesägt, wodurch die Gebäudeform mit der Silhouette des Bildträgers identisch wird. Wirken sie vereinzelt wie eine formale Spielerei, so rufen sie nun als Zyklus eine Irritation hervor und werfen ein Problem der Zuordnung auf, bei deren Lösung nur ein Blick in die Kunstgeschichte Hoffnung auf einen Lösungsansatz verspricht. Frank Stellas „Shaped Canvas“ bieten eine Fährte, da sie die traditionelle Bildform als Quader oder Tondo veränderten. Doch hält der Vergleich mit Stella nicht stand, da es sich um eine Sprengung der Form innerhalb der abstrakten Kunst handelte, d.h. das Format diente keinem Motiv. Erst Tom Wesselmann und Alex Katz brachen das klassische Viereck in der gegenständlichen Kunst auf. Katz schnitt seine Figurenportraits aus, stellte sie als „Pappfiguren“ in den Raum und simulierte auf diese Weise einen Partyraum – die "Pappfiguren" wurden zur Skulptur, oder vielmehr zu einem Mix aus Malerei und Skulptur. Auch bei Jürgen Noltensmeier entziehen sich die Bilder durch das Verfahren einer eindeutigen Bestimmbarkeit. Die Sträucher, die die Häuser häufig umgeben, sind schwarz koloriert und erinnern durch den Kontrast, aber auch durch die Sichtbarkeit des Hintergrunds, an Scherenschnitte in der verspielten, verträumten Art Kara Walkers. Die Häuser selbst sind in Noltensmeiers unverkennbarer Malweise gemalt worden, erreichen durch den Cut-Out allerdings eine stärkere Plastizität, als seine auf die Leinwand gemalten Häuser. Fast erinnern sie an Filmkulissen und es mag sein, dass der Filmstill-Charakter, den die Bilder des Malers immerzu implizieren und der auch auf den neuen Bildern erhalten bleibt, diese Assoziation schürt; d.h. durch die Suche nach einer Zuordnung der Gattung, das Gehirn den filmischen Blick des Malers einfach zu Ende führt und in der Umgebung des Films und der Kulisse verortet. Der Betrachter wird seine eigene Seherfahrung mit diesen neuartigen Bildern und ihrer räumlichen Wirkung befragen müssen. Mit seiner ersten Einzelausstellung in der Galerie Potemka schuf Jürgen Noltensmeier Bilder wie Kulissen und damit Bilder, die den Leitgedanken der Galerie berühren, der den Illusionismus der Kunst mit Potjomkin als weltlichem Verbündetem verknüpft: Noltensmeier schuf ein potjomkinsches Dorf, das jenseits von Pracht und Reichtum auf seine Weise Schönheit repräsentiert. |
Jürgen Noltensmeier Exhibition:: 4.09-28.09.2010
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