Justyna Koeke

Hitting and Hitting back

Installation/Fotografie/Video

Opening: 4.11.2011, 19 h

Exhibition: 5.11.-3.12.2011

Hoc est corpus meum!

War es in der Vergangenheit Provokant, sich nackt in Kunsträumen zu zeigen, sich autoaggressiv zu quälen, oder vor dem Publikum zu masturbieren, gegen Galeriewände zu pissen, zu ejakulieren, oder sie zu penetrieren, so ist die sexuelle Revolution an einen Punkt gekommen, wo sie die Kunst eigentlich nicht mehr als Partner braucht. So bitter diese Wahrheit für viele Künstler klingen mag: Die Sexualität ist jetzt befreit und die Sex-Industrie in der Darstellung von Nacktheit und sexuellen Praktiken der Kunst in der Regel immer eine Nasenlänge voraus. Es bleiben die Grauzonen übrig: die Erotik, die Magie und die Abwesenheit von etwas.

Justyna Koeke hat dennoch den Körper als Hauptthema ihrer Performances, Skulpturen und Installationen gewählt, doch kippt in ihrer Arbeit das all-is-visible des Porno-Zeitalters, indem die Figuren nicht entblößt, sondern verschleiert werden. Auf diese Weise versucht sie dem Menschen ein Geheimnis zurückzugeben, nicht etwa in einer gotischen Spielart, nicht als Gewandgestalt, sondern ihn zu verhüllen, ohne ihn zu entkörperlichen: Ihre Kunst ist voll sexueller Anspielungen bei denen aber das Hauptanliegen bleibt, die zersplitterten Teile Körper und Seele und die Magie von Sexualität und Liebe wieder zusammen zu führen. Symbolisiert wird dies dadurch, dass sie nicht nur der Körper, sondern auch das Gesicht, Träger der Seele, verhüllt, sich beide Teile aber in Fragmenten zeigen: Der Körper durch die meist körperbetonte Silhouette, die Seele durch die freigelegten Augen. Im Deutschen existiert ja das wunderschöne Wort „Leib“, der die Seele nie von dem Körper ausschließt – hoc est corpus meum, das ist mein Leib! Gott ist durch Jesus Fleisch und damit sichtbar geworden. Um die Menschheit zu erlösen, wurde Gott selber Mensch und hat sich für diesen Auftrag zum Menschen gestreckt. Justine Koeke verkehrte das und sagte: „Gott ist unsichtbar“, warum also nicht auch der Mensch? Wenn der Mensch sich verschleiert und damit die Absenz des persönlichen Ausdrucks betont, streckt er sich zu Gott und lässt offen, wer er ist. Er bietet dem Betrachter an, ein Mysterium für ihn zu sein, in das er seine eigenen Fragen und Wünsche projizieren kann. Er wird unfassbar und vieldeutig. Ein Alien, ein Tier, eine attraktive Form, eine Fantasiefigur, eine Kunstfigur, reine Farbe in der Umgebung?

In der Potemka-Show geht es Justyna Koeke nicht offensichtlich um spirituelle Fragen. Es kommt in einem Neo-Feministischen Geist Fragen auf den Plan, die das vergiftete Verhältnis von Mann und Frau hinterfragen. Die Schlüsselfigur sind Muskelmänner, die durch ihre Muskelmasse Männlichkeit postulieren. Dabei wird auf einen Machismus angespielt, der durch den Ausstellungstitel „Hitting and Hitting back“ wieder neutralisiert wird. Die Frau ist kein Opfer mehr, sie schlägt zurück.

Lu Potemka



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