Der Kunstmarkt erwartet von einem Künstler, Originalität und Wiedererkennung in seinem Werk zu entdecken, eine Marke zu werden und am einfachsten erreicht man das durch Wiederholung, indem der Künstler einem Medium und einem Topos ein Künstlerleben lang treu bleibt, wie Adidas seinen drei Streifen. Gerade wenn Erfolge erzielt werden ist das eine große Bestätigung und gleichzeitig auch eine gefährliche Verführung bei der einen Idee und Sache zu bleiben, die den Erfolg einbrachte. Auf diese Weise beginnt die Arbeit zum Selbstzitat, zur Routine, zum Job zu werden. Aber wie viel Kunst bleibt einer Kunst, die sich den Marktvorlieben und dem Kapitalismus derart unterwirft, dass sie stagniert und alle neuen Möglichkeit ausschließt? Wie viel bleibt übrig vom großen Subjektgedanken Beuys? Das große Subjekt bleibt doch für viele Künstler eine Illusion, eine Art Jugendtraum aus den Anfängen, der Zeit vor der Akademie.

 In der Ausstellung „ich bin viele“ breitet die Künstlerin Molina Ghosh eine Mannigfaltigkeit künstlerischer Möglichkeiten aus – das sind Gemälde, Objekte, Skulpturen, von Hand bearbeitete Fotos und sie zeigt offenkundig, dass diese sprühende Fülle möglich ist, ohne eine eigene Handschrift zu opfern.

 Molina Ghosh studierte längere Zeit in Indien, dem Land ihres Vaters. Sie öffnete sich der Kunst Indiens, ist aber auch von dem erzählerischen und figurativen Geist der HGB in Leipzig geprägt, in der sie gerade in der Medienkunst den Meister macht. Sie sagt, Reisen sei wie die Augen waschen und bewahrte sich immer die Offenheit vor Neuem, Unbekanntem. D.h. weder die verinnerlichte Leipziger Melancholie, noch die konzeptionelle Linie der Medienkunst vermochten sie zu fassen, denn es gab immer mehr als nur die eine oder andere Möglichkeit. Und dennoch gibt es etwas, was all ihren Werken inhärent ist: vollendet, oder im prozesshaften Zustand belassen, zollt sie den natürlichen Materialien, die sie gebraucht Respekt und lässt ihnen, obgleich sie sie verwandelt, etwas von ihrer ursprünglichen Aura.

Dadurch lassen ihre Arbeiten zuweilen und vor allem durch die Materialität und Farbe eine Assoziation zur Arte Povera zu, ohne jedoch die Figur oder die Emotionalität auszuschließen.

Ein wiederkehrendes Motiv ist das Haus, das als kleines Gebäude aus alten Dielen zusammengesetzt wurde und „Recycled“ wirkt. Es ist ein Symbol für das „zu Hause“, das Schutz und Sicherheit bietet, gleichzeitig ist das „zu Hause“ auch ein Ort der Seele und wiederum Gegenstand eines anderen Werks, in dem das Haus wie in einem vergrößerten Daumenkino dargestellt, das Parameter für das „Up and Down“ von allem bildet, was lebendig ist.

Das Kernprodukt der Künstlerin ist die Skulptur, allerdings lässt sie sich nicht darauf reduzieren und scheut sich nicht davor in eine vollkommen andere Richtung zu gehen.

Ihre Medien und Bildinhalte sind so vielseitig, wie das Leben selbst; und welche größere Botschaft kann ein Künstler angesichts dessen, dass es keine allgemeingültig vorherrschenden Meinungen mehr in unserem Kulturkreis gibt, äußern, als sich intuitiv nach dem eigenen Leben zu richten, auszudrücken, was er denkt, was ihm begegnet, ihn inspiriert, verändert, was er fühlt, träumt, was ihn stört, ihn interessiert, was er an sich selbst, am du und an der Gesellschaft hasst oder liebt und was er sieht. Was er festhalten und was er zerstören will.

Was liegt näher als das große Subjekt zum roten Faden zu erklären, da dieser rote Faden Wandlung, Neuerfindung und Facettenreichtum nicht nur erlaubt, sondern für die persönliche und künstlerische Entwicklung begrüßt. „Ich bin viele“ ist auch eine Art Botschaft, wenn jeder Mensch ein Künstler ist, warum dann nicht auch jeder Künstler? Bleibt im Flow...

Lu Potemka

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