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„Auf! Verlasst diesen Ort...“ (1 Moses 19, 14)
In dem Zyklus „SodummwieGomorrha“ reflektiert Robin Zöffzig die seelische Hygiene der Jetzt-Zeit. Sein von Herbert James Draper inspirierte Bild „Odysseus und die Sirenen“ zeigt sechs Frauenakte, die um die Verführung Odysseus und seiner Mannschaft buhlen.
Die Fesseln und Masken sollen helfen, den Gesängen der Sirenen zu widerstehen, ja - die Männer hüten sich sogar davor, die Sirenen zu berühren oder verweigern deren Anblick, denn diese Frauen sind zwar ideal, aber sie sind nicht real. Ihre Intention ist es, die Männer zu zerstören, ganz wie Gott einst den Sündenpfuhl Sodom zerstörte.
Mit mehreren Reiterinnen, Sirenen, Pony-Girls in SM-Montur und einer zeitgenössischen Cranach-Judith versucht Zöffzig, die anarchische Seite der sexuellen Befreiung zu skizzieren und ein Sittenporträt zu erschaffen, das den erotischen Hedonismus als ein Sodom und Gomorrha in die Gegenwart transportiert: Bindungsängste statt partnerschaftliche Beziehungen, Swinger-Clubs statt Ehe,Promiskuität statt Treue, Youporn statt Bordelle, Gang Bang - immer häufiger die erste sexuelle Erfahrung bei Jugendlichen und dann auch noch „Shades of Gray“ - Motor für Sadomasochismus als Standardprogramm. In der Ferne, bei einer Reise nach Südkorea, in der alle Porno-Seiten gesperrt waren und die Menschen ganz simpel einen Partner für`s Leben suchten, der/bzw. die nicht zwingend erst nach vollendetem Vordiplom geboren wurde (und umgekehrt), tauchte plötzlich die Frage auf, was lief schief bei uns in Deutschland, vielleicht sogar in Europa, wann fing es an und wird uns die moralische Verwahrlosung eines Tages vernichten? Per SMS Schluss
zu machen ist billig, auf Facebook ist es umsonst, „ich liebe dich“ zu sagen ist „out“ und die Anzahl der Facebook-Likes werden zum Indikator der Daseinsberechtigung, aber die Ausstellung wäre nicht von Robin Zöffzig, ginge es um pure Aporie und nicht auch darum, existierenden gesellschaftlich-politische Missstände mit einer Ironie zu durchleuchten, oder affirmativ die Schönheit der weiblichen Körper zu zeigen und zu verehren. In den Bildern versucht er zudem stets Bezug zu nehmen auf schon bestehende Werke der Modernen und Alten Meister. Eine eigene Handschrift im Gepäck und eine
Respektlosigkeit gegenüber großen Formaten aus Sprayer-Tagen, die ihm auch ein Gespür für raffinierte Effekte lehrten, verleihen ihm das Rüstwerk, spielerisch mit der Kunstgeschichte umgehen zu können. Zöffzig liebt die Umcodierung bereits erschaffener Werke und schafft formal wie inhaltlich aus alten Vorlagen stets ein zeitgenössisches Bild. Dagegen ist ihm glücklicherweise ein vermeintlich antiquiertes Künstlerselbstverständnis inhärent, nämlich das, als Künstler ein Spiegel der Gesellschaft zu sein.
Lu Potemka |